Wie wird man eigentlich ein Klinikclown?

Autor: Daniel

Soziales Engagement ist uns eine Herzensangelegenheit. Seit einigen Jahren unterstützen wir deshalb regionale, gemeinnützige Organisationen aus den Bereichen Bildung, Sport und Soziales mit technischem Gerät, persönlichem Engagement und finanziellen Mitteln.

Aktuell richten wir unseren Blick auf die Clownsnasen e.V. aus Taucha, ein Verein, der Besuche von Klinikclowns in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen ermöglicht. Die mehr als 10 Klinikclowns bereichern den Alltag vorwiegend kleiner Patienten während eines Klinikaufenthalts mittels Humor und mit einem Lächeln im Gesicht. In der vergangenen Woche hatten wir den Zirkuspädagogen, Clown sowie Kinder- und Jugendarzt Matthias, alias Klinikclown Gil Bert bei uns zu Gast. In unserem Porträt zeigen wir, wie Matthias zur Clownerie gekommen ist und wie aus ihm der Klinikclown Gil -Bert wurde.

Matthias, wie bist Du eigentlich zur Clownerie gekommen?

Eine Reihe von Zufällen hat mich zur Leidenschaft für das Clown-Dasein gebracht. Erste Berührungspunkte hatte ich während meines Medizinstudiums in Jena. Als angehender Kinderarzt habe ich neben dem Studium quasi als Ausgleich mit dem Körpertheater und der Pantomime begonnen. Während dieser Zeit sind auch ersten Kontakte zu Clowns im Allgemeinen und der Zirkuspädagogik entstanden. Ich merkte schnell, dass Köpertheater, Pantomime und Clownerie mich faszinierten und reizten. 2017 bin ich gemeinsam mit meiner Frau nach Leipzig umgezogen. Dort trafen wir dann 2018 zufällig auf den künstlerischen Leiter der Clownsnasen. Dieser ist in einem Café auf uns aufmerksam geworden. Ich trug zu der Zeit ein T-Shirt mit einem Zirkusmotiv darauf. Er fragte uns „Entschuldigung, sagt mal, macht ihr auch etwas mit Clownerie?“ Und ab da nahmen die Dinge ihren Lauf. Er suchte Verstärkung in seinem Team und hat uns beide eingeladen, die Clownsnasen kennenzulernen. Da Clowns immer gern JA sagen, positiv sind und neuen Situationen offen und neugierig gegenüberstehen, haben wir das Angebot angenommen. Schon nach den ersten Begegnungen mit den Clowns und den ersten Runden im Einsatz war ich tief beeindruckt, wie vielseitig diese Arbeit ist. Aus diesem Kennenlernen von damals sind mittlerweile schon fast 5 Jahre geworden.

Was macht für Dich einen Clown bzw. einen Klinikclown aus?

Es gibt keine so richtige Definition dafür. Clown sein ist etwas zutiefst Persönliches, ein Aspekt von Dir selbst, für mich ist es auch eine Art Lebenseinstellung geworden. Der Clown ist ein spielerisches, emotionales Wesen: kindlich, neugierig, naiv und gelassen zugleich. Jeder Clown ist mit besonderen Aspekten ausgestattet, die sich in seiner Figur wiederfinden können.

Die Figur Gil-Bert, mit der ich als Klinikclown unterwegs bin, hatte ihre „Geburt“ 2014 zunächst nur als „Gil“ und entwickelte sich seither beständig weiter, um zu dem zu werden, was sie heute ist. Ein fröhlicher Urlaubstyp, mit französischem Einschlag, der meist wortkarg und mit non-verbaler Stärke daherkommt. Hin- und wieder verkörpert Gil Bert auch gern mal einen etwas strengeren Clown. Doch meistens überwiegt der spaßige und fröhlich Typ. Andere meiner Figuren, die eher melancholische oder cholerische Aspekte meines Wesens widerspiegeln, wären deutlich weniger kliniktauglich und sind eher für die Arbeit auf einer Bühne geeignet.

Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die man für die Clownerie mitbringen muss? Und wie wird man eigentlich ein Klinikclown?

Hmmm, spannende Frage, für mich sind Gelassenheit, Neugier, Empathie und Offenheit wichtige Eigenschaften, für einen Clown. Aber auch Spielfreude, Naivität und Emotionalität zusammen mit der eigenen Authentizität gehören für mich dazu.
Prinzipiell verfügt jeder Mensch über diese Eigenschaften, vor allem wenn er noch ein Kind ist. “Kind-sein“, nur dem aktuellen Moment zugewandt, frei von äußeren Bewertungen undohne Angst vor dem Scheitern, beschreibt die Voraussetzungen vielleicht am Besten. Leider grenzt die gesellschaftliche leistungsorientierte Erziehung diese bei uns Menschen ein und sorgt dafür, dass sich diese mit der Zeit zurückentwickeln. Mit Hilfe der Clownerie kann man sich dieses „Kind-sein“ wieder zurück holen. Und wie ein Kind auch will der Clown selbst ja gar nicht lustig sein. Er begibt sich vollen Ernstes in eine aktuelle Situation, die ihn dann herausfordern kann – ihm quasi ein Problem „schenkt“. Beim Versuch dieses Problem nun auf kreative Weise zu lösen, können für Außenstehende komische Momente entstehen.

Ein Clown zu werden und zu sein, kann man also üben. Das Interesse am Wesen des Clowns ist dabei eine wichtige Grundeinstellung. Denn ein Clown zu werden ist für mich auch eine Art Lebensweg, den man beschreiten kann. Man wird nicht von jetzt auf gleich einfach ein Clown. Vielmehr bedarf es einer systematischen Ausbildung, die meist einige Jahre in Anspruch nehmen kann. Insbesondere wenn man in die Klinik gehen möchte. In meinen Clownsworkshops gebe ich zunächst die Möglichkeit, das Clownswesen für sich selbst zu entdecken und als Mensch seine soziale Rolle, die jeder im Leben einnimmt, auszublenden. Spielerisch wieder Mensch zu sein steht bei den Workshops im Vordergrund. Ob man dann später mit diesem Wesen auch wirklich in die Klinik geht, steht dabei erst einmal nicht im Fokus. Ziel ist es, sich in seinen Clown hineinzufühlen, Spaß und Freude zu haben und nicht so viel über die Dinge, die man tut, nachzudenken. Im Workshop lernen die Menschen wieder Kind zu sein und den inneren, gesellschaftlichen Kontrolleur, der bewertet, ob Dinge „gut“ oder „schlecht“ sind, einmal auf die Pausenbank zu schicken.

Der nächste Workshop findet im September 2023 statt. Wer Interesse hat, kann sich gern bei mir unter matthias@zirkubi.de melden.

Verwandlung

Wie bereitest Du Dich auf einen Einsatz vor?

Clownerie ist für mich mittlerweile auch eine Lebenseinstellung und eine persönliche, innere Haltung geworden. Die „Lehrjahre“, die ich hatte, sind für mich eine total wertvolle Basis. Weiterhin kennen wir uns ja als Clownsgruppe auch schon und haben einmal im Monat ein gemeinsames Training, bei dem wir uns gegenseitig mehr und mehr kennenlernen und unsere Clowns pflegen. Dennoch gibt es zwei Phasen, in denen ich mich dann konkret auf meinen Einsatz vorbereite. In der ersten Phase, der Zeit vor dem eigentlichen Spiel, treffe ich auf meine(n) Clown-PartnerIn und wir haben etwas Zeit, um uns tagesaktuell auszutauschen und um den Einsatz abzusprechen. Das kann z. B. auf der Fahrt zur Klinik -in der Bahn oder im Auto – passieren. Die zweite Phase folgt/beginnt dann vor Ort beim Umziehen und Schminken. Schritt für Schritt verbinde ich mich mit meiner Figur. Kurz vor meinem Einsatz nutze ich dabei auch kurze Momente der Stille oder ein gemeinsames Spiel mit meiner Clown-PartnerIn. Doch spätestens, wenn ich die Clownsnase aufsetze, bin ich mit Gil Bert verbunden und er übernimmt.

Wir Clowns – auch Gil Bert – kommen nun zu Besuch zu den Kindern oder Erwachsenen, die wir an dem Tag in Kliniken oder Altenheimen finden. Wir klopfen an, schauen wie es den Patienten geht und laden uns ein. Wir haben dabei kein festes Programm, sondern wir lassen uns vollkommen ein, auf die Situation, die wir vorfinden. Oft entstehen aus diesen Situationen Geschichten, Begegnungen oder spielerische Momente, die eine positive Stimmung herbeiführen. Sie rücken den Fokus des Patienten auf die schönen Dinge und spenden ihm wertvolle/glückliche Lebenszeit.

Wie gehst Du mit deinen eigenen Emotionen bei schwierigen Einsätzen um?

Emotionale Momente sind Teil des Klinikclown-Erlebnisses und es ist wichtig, einen guten Umgang damit zu finden.
Wenn ich aus Gil Bert herausschlüpfe, kann es schon mal sein, dass mich die Emotionen, die ich erlebt habe, einholen. Ein kleines Kind, das beatmet werden musste, kann so einen emotionalen Moment hervorrufen – vor allem wenn man selbst zwei Kleinkinder zu Hause hat. Emotionale Momente entstehen auch, wenn ich in einer Situation Lust dazu habe, noch länger für oder mit einem bestimmten Patienten zu spielen. Wenn ich aber aufgrund anderer Patienten, die noch auf uns warten, zeitlich nicht länger kann, entsteht dadurch für mich kurz eine innere Zerrissenheit.

Bisher hatte ich noch keine emotionalen Grenzerfahrungen. Gil Bert und ich haben jedoch großen Respekt vor diesem Moment. Die Kollegen bei uns im Verein erzählen teilweise von tief emotionalen Erlebnissen, aber auch in meinem näheren Umfeld, kenne ich Clowns, die schon sehr berührende Erfahrungen gemacht haben. Viele rührende Beispiele gibt es vom Klinikclown Knuddel. Sie hat in ihrem Buch „Seifenblasen aus Tränenwasser“ ihre Grenzerfahrungen als Klinikclown niedergeschrieben.
Die tiefgreifenden Gefühle bleiben und jeder geht anders mit ihnen um. Der Austausch und das Sprechen über das Erlebte, aber auch über die emotionalen Erfahrungen, sind in solchen Grenzsituationen sehr wichtig. Als Clown wirst du nicht allein gelassen. Das Miteinander der Clowns, die gegenseitige Pflege und das „um einander kümmern“ wird in solchen Momenten großgeschrieben, was wir mit regelmäßigen Treffen und Supervisionen unterstützen. Wir sind füreinander da! Ich habe zusätzlich noch das Glück, das meine Frau selbst auch eine Kliniclownin ist. So habe ich auch zu Hause immer jemanden, mit dem ich die Dinge, die mich nach meinem Einsatz als Gil Bert beschäftigen, besprechen kann – und sie mit mir.

Abziehbild

Was inspiriert Dich?

Persönliche Inspiration erfahre ich auf unterschiedlichste Art und Weise. Zum Beispiel kann eine Schneeballschlacht mit Papierknäulchen aus Papierhandtüchern für mich ebenso inspirierend sein, wie die anfängliche Skepsis eines Patienten, die sich Stück für Stück in puren Spaß und offensichtliche Sympathie verwandelt. Die Freude eine schöne Zeit mit anderen teils fremden Menschen zu haben, etwas Positives zu hinterlassen und z.B. einer Mutter, die um ihren kranken Säugling bangt, ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, hinterlassen in mir ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit.

Ihr Ansprechpartner für Fragen zu unseren Produkten und Services

Daniel Hübner

Vorstand

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