Kommunale Nachhaltigkeitsberichte in Deutschland: Status quo, Herausforderungen und Perspektiven
Autor: Judith
In der zunehmend globalisierten und ressourcenlimitierten Welt gewinnt das Thema kommunale Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland an immer größerer Bedeutung. Die Herausforderungen des Klimawandels, der sozialen Gerechtigkeit und ökonomischen Stabilität erfordern eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den Maßnahmen und Strategien auf lokaler Ebene.
Nachdem wir in unserem vorherigen Beitrag „Auf dem Weg zur grünen Zukunft – Nachhaltigkeit messbar machen„ grundlegende Überlegungen zur Nachhaltigkeit und deren Ursprung beleuchtet haben, richten wir in diesem Artikel unseren Blick auf die spezifischen Herausforderungen und Lösungsansätze im kommunalen Kontext. Der Fokus liegt dabei auf den kommunalen Nachhaltigkeitsberichten, die als Instrumente dienen, um lokale Maßnahmen zur globalen Nachhaltigkeit beizutragen. Wie genau sich diese Berichte in den kommunalen Kontext einfügen und welche Rolle sie für eine nachhaltige Entwicklung spielen, erfahren Sie im Folgenden.
Was sind kommunale Nachhaltigkeitsberichte?
In kommunalen Nachhaltigkeitsberichten präsentieren Städte und Gemeinden ihre Positionierung in Bezug auf die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie und Soziales) sowie die damit verbundenen Herausforderungen. Bisher fehlt jedoch ein einheitliches Konzept für solche Berichte, und sowohl Begriff als auch Inhalte sind nicht einheitlich definiert. Es gibt weder klare Berichtsstandards noch gesetzliche Regelungen auf Bundes- oder Landesebene.
Orientierung bieten den Kommunen einzelne Veröffentlichungen wie “N!-Berichte für Kommunen” des baden-württembergischen Umweltministeriums oder Indikatoren-Baukästen wie die “SDG-Indikatoren für Kommunen”, die in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung, kommunalen Spitzenverbänden und weiteren Partnern entstanden sind.
Im Gegensatz dazu sind Nachhaltigkeitsberichte in der Privatwirtschaft weit verbreitet, insbesondere bei größeren Kapitalgesellschaften. Diese Berichte, oft als erweiterte Form von Umweltberichten, behandeln ökonomische, ökologische und soziale Aspekte, manchmal ergänzt um Bereiche wie „Governance“ oder „Organisationsführung“. Unternehmen erstellen diese Berichte freiwillig, hauptsächlich aus Marketing- und Reputationsgründen. Unternehmen haben eine Vielzahl von Reporting-Standards zur Verfügung, darunter GRI, ISO 26000, UN Global Compact und DNK, obwohl aktuell lediglich große Kapitalgesellschaften gesetzlich dazu verpflichtet sind, eine „nichtfinanzielle Erklärung“ im Lagebericht zu veröffentlichen.
Im Gegensatz zu Unternehmen besteht für Städte und Gemeinden keine Pflicht zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten, obwohl sich viele freiwillig dazu entscheiden. Die Analyse zeigt, dass diese Berichte unterschiedliche Definitionen, Strukturen und Inhalte haben. Kommunale Berichte basieren größtenteils auf vorhandenen Daten und zeigen den aktuellen Stand der Nachhaltigkeit in verschiedenen Zeiträumen. Der Bericht fungiert als Ausgangspunkt für ein kommunales Nachhaltigkeitsmanagement, das auf einer gemeinsamen Datengrundlage basiert und weitere Schritte für eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht.
Kommunale Nachhaltigkeitsberichte in Deutschland
Bisher liegen vor allem Nachhaltigkeitsberichte von größeren Städten vor – kleinere Kommunen sind bisher die Ausnahme. Die Berichte unterscheiden sich sowohl inhaltlich als auch vom Umfang her erheblich. Deshalb sind Vergleiche zwischen verschiedenen Kommunen nur sehr bedingt möglich.
Einen Überblick über die Kommunen in Baden-Württemberg, welche bereits einen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt haben, gibt erstmalig die von der HfWU erstellte Datenbank der N!-Berichte. Die Datenbank entstand im Rahmen des Pilotprojekts „Nachhaltigkeitsberichterstattung in kleinen und mittleren Gemeinden“ (Laufzeit 2013 bis 2016). Das Projekt wurde vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg gefördert und in Kooperation mit dem Nachhaltigkeitsbüro der LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg durchgeführt.
HfWU-Datenbank_kommunaler_Nachhaltigkeitsberichte_Baden-Wuerttembergs
Online verfügbare Nachhaltigkeitsberichte
Mit dem “Wegweiser Kommune” und dem “SDG-Portal” stehen Kommunen ab 5.000 EinwohnerInnen zwei Plattformen mit Daten für diverse Indikatoren zur Verfügung. Diese können in Form eines statistischen Berichts heruntergeladen werden.
Für den Inhalt beider Portale ist die gemeinnützige Bertelsmann Stiftung verantwortlich. Der Nachhaltigkeitsbericht wird jeweils als PDF-Dokument erstellt und kann auf dem lokalen Rechner gespeichert werden.
Derzeit können Daten für 3.358 Kommunen und Landkreise (Stand 25.02.2023) abgerufen werden. Das entspricht etwa 90 Prozent der Bevölkerung Deutschlands. Dies gilt analog für das SDG-Portal.
Portal Wegweiser Kommune
Der „Wegweiser Kommune“ ist ein Online-Tool, das Städten und Gemeinden als Orientierungshilfe für nachhaltiges Handeln dient. Er bietet praktische Unterstützung bei der Erstellung von kommunalen Nachhaltigkeitsberichten. Das Tool stellt Ressourcen, Leitfäden und Beispiele bereit, um den Kommunen bei der Umsetzung und Weiterentwicklung ihrer nachhaltigen Entwicklungsziele zu helfen.
Die Seite ermöglicht unter anderem die Erstellung von Berichten zu verschiedenen Themen und bietet umfassende Daten für zahlreiche Kommunen und Landkreise. Die Erhebung der Daten erfolgt jährlich. Folgende Möglichkeiten stehen zur Auswahl:
Thema | Vergleich |
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Kreis und (Bundes-)Land sowie Vergleichskommunen |
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Um einen Vergleich zu schaffen werden die Daten für die ausgewählten Kommunen nebeneinander ausgewiesen. Dadurch werden Unterschiede unmittelbar ersichtlich. Die Daten decken den Zeitraum von 2006 bis 2021 ab.
“Wegweiser Kommune” ist demnach ein Hilfsinstrument zur Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts, insbesondere in Bezug auf die Vergleichbarkeit mit anderen Kommunen.
SDG-Portal
Das „SDG-Portal“ ist eine Online-Plattform, die Städten und Gemeinden dabei hilft, die Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs), also der nachhaltigen Entwicklungsziele, zu verfolgen. Das Portal bietet Ressourcen, Daten und Instrumente, um den Fortschritt in Bezug auf die SDGs zu überwachen und zu analysieren. Es dient als zentrale Anlaufstelle für Informationen und unterstützt Kommunen bei der Integration der SDGs in ihre Planungs- und Berichtsprozesse.
SDG Info
Die Sustainable Development Goals (SDGs) für kommunale Nachhaltigkeit sind eine Reihe von globalen Zielen, die von den Vereinten Nationen entwickelt wurden, um nachhaltige Entwicklung auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zu fördern. Die SDGs bieten einen Rahmen für Maßnahmen in verschiedenen Bereichen, darunter Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung. Für Kommunen können die SDGs als Leitlinien dienen, um ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu strukturieren und auf bestimmte Ziele hinzuarbeiten.
Es gibt insgesamt 17 SDGs, die eine breite Palette von Themen abdecken. Hier sind einige Beispiele von SDGs, die besonders relevant für kommunale Nachhaltigkeit sein können:
- Ziel 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden: Dieses Ziel zielt darauf ab, Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu machen.
- Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie: Dieses Ziel fördert den Zugang zu erschwinglicher, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle.
- Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz: Dieses Ziel befasst sich mit dringenden Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen.
- Ziel 3: Gesundheit und Wohlergehen: Dieses Ziel strebt an, ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten.
- Ziel 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion: Dieses Ziel fördert nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster.
Die Umsetzung der SDGs auf kommunaler Ebene erfordert die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren, einschließlich der lokalen Regierung, der Zivilgesellschaft, der Unternehmen und der Bürger. Dabei können Plattformen wie das „SDG-Portal“ und der „Wegweiser Kommune“ Unterstützung bieten, indem sie Ressourcen, Daten und Instrumente für die Umsetzung der SDGs bereitstellen.
Neben dem Vergleich mit einer weiteren Kommune (in der nachfolgenden Grafik am Beispiel Düsseldorf in blau und Mülheim an der Ruhr in rot), steht hier auch der Vergleich mit dem Landesdurchschnitt (schwarz) zur Verfügung (stand 25.01.2024):
Fördermöglichkeiten
Für Kommunen, die den Weg zu mehr Nachhaltigkeit einschlagen möchten, stehen Fördermöglichkeiten von verschiedenen Seiten zur Verfügung. Bundes- und Landesförderprogramme unterstützen Projekte und Initiativen, die darauf abzielen, nachhaltige Praktiken zu implementieren oder bestehende zu verbessern.
Förderung von der Servicestelle für Kommunen in der Einen Welt (SKEW)
Auf der Website der SKEW werden unter dem Stichwort “Themen/ Global Nachhaltige Kommune” zahlreiche Projekte im Zusammenhang mit der Agenda 2030 vorgestellt.
Unter dem Titel “Kleinprojektefonds Kommunale Entwicklungspolitik” wird die Erstellung kommunaler Nachhaltigkeitsstrategien gefördert. Aktuell können Anträge bis zum 15. Oktober 2024 gestellt werden.
Baden-Württemberg fördert mit der “Kommunalen Initiative Nachhaltigkeit” Städte und Gemeinden bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien. Baden-Württemberg bietet speziell für kommunale Nachhaltigkeitsberichte eine Förderung an. Weiterhin sind für die Erstellung von kommunalen Nachhaltigkeitsberichten ein Leitfaden und eine Mustervorlage kostenlos abrufbar.
Brandenburg unterstützt im Rahmen des Kleinförderprogramms die “Aktion lokale Agenda Brandenburg”. Hier können Initiativen und Kommunen für eine nachhaltige Lokal- bzw. Regionalentwicklung Fördermittel erhalten. Der Zuschuss je Projekt beläuft sich auf bis zu 5.000 Euro. Voraussetzung ist u. a., dass die Erarbeitung des kommunalen Nachhaltigkeitsberichts unter breiter Beteiligung der Bevölkerung erfolgt. Weiterführende Informationen gibt es auf der entsprechenden Webseite.
Niedersachsen fördert ein kommunales Nachhaltigkeitsprojekt der “UmweltAktionNiedersachsen” des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes. Dieses unterstützt ausgewählte Kommunen wissenschaftlich bei der Erstellung kommunaler Nachhaltigkeitsberichte.
Es stehen zahlreiche Fördermöglichkeiten in finanzieller und inhaltlicher Hinsicht zur Verfügung. Das Angebot variiert erheblich zwischen den Bundesländern. Daher empfiehlt es sich, im Einzelfall direkt bei den zuständigen Stellen nachzufragen.
Ausblick
Kommunale Nachhaltigkeitsberichte werden in Zukunft eine noch bedeutendere Rolle spielen, da die Forderungen nach Transparenz und Verantwortlichkeit in Bezug auf Nachhaltigkeit zunimmt. Sie bieten einen Rahmen, um lokale Maßnahmen zur globalen Nachhaltigkeit beizutragen und die Bemühungen in Richtung einer umweltfreundlichen und sozial gerechten Gesellschaft zu lenken.
Insgesamt sind kommunale Nachhaltigkeitsberichte wichtige Instrumente, die den Fortschritt hin zu einer nachhaltigeren Zukunft auf lokaler Ebene messbar machen und die Gemeinden dazu ermutigen, innovative Lösungen zu entwickeln, die sowohl Umwelt als auch Gesellschaft zugutekommen.
Ein entscheidender Schritt auf diesem Weg ist die Einführung eines einheitlichen Konzepts für die kommunale Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der nächste Blogbeitrag dieser Serie wird daher genau dies beleuchten und Möglichkeiten aufzeigen, wie eine standardisierte Berichterstattung auf kommunaler Ebene erreicht werden kann. Hierbei wird auch ein Praxisbeispiel vorgestellt, um die Umsetzung in der Realität zu verdeutlichen.
Für noch tiefere Einblicke in das Thema Nachhaltigkeit und die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung anhand Ihrer regionalen Regularien bieten wir Ihnen einen individuellen Workshop an. Dieser Workshop wird Ihnen dabei helfen, Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in diesem Bereich zu erweitern und somit einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung Ihrer Kommune zu leisten. Sie möchten weitere Informationen zu unserem Workshop “Kommunale Nachhaltigkeitsberichte”? Dann informieren Sie sich gerne hier oder schreiben Sie uns eine Mail an projekte@fidas.de.
Ihr Ansprechpartner für Fragen zu unseren Produkten und Services
Daniel Hübner
Vorstand
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